Gudrun Sailer

Gudrun Sailer ist keine Bildhauerin im traditionellen Sinn. Sie meidet die massive geschlossene Form und unterstreicht mit bewegten Einzelformen, die auf ein flaches, reliefhaftes Minimum reduziert sind, die Offenheit der plastischen Gesamtform. Auch suchen ihre dem Figürlichen verpflichteten Skulpturen aus Terrakotta keine Vergewisserung in der Unversehrtheit des menschlichen Leibes. Bei gleichzeitiger Präsenz des plastischen Prinzips von Aufbau und Zerstörung, dem Ausbalancieren zwischen geschlossener und offener Form, erscheint es ihr wichtiger und zeitgemäßer, intakte Körperpräsenz zugunsten einer sich ausdrückenden Unruhe zu unterlaufen. Als Plastikerin, die ihre Figuren meist in der Gestalt des Weiblichen als dem schöpferischen Prinzip aus Einzelteilen zusammenfügt, setzt sie mehr auf strukturale Stabilität und kompositorische Bewegtheit sowie auf Entindividualisierung ihrer Figuren zugunsten allgemeiner menschlicher Befindlichkeiten. Ohnehin implizieren die aufgebrochenen Formen und die zerklüfteten Oberflächen, wie die schorfigen Ränder, die harten kantigen Graten wie die aufgesplitterten Ebenen den Ausdruck von Gefährdung und Verletzbarkeit. Von daher handelt es sich bei der plastischen Haut um eine gleichermaßen materielle wie metaphorische Struktur, zumal deren bewegte Einzelelemente nicht nur der Lebendigkeit der Oberfläche dienen, sie sind, einschließlich der keramischen Farbgebung modellierter Bestandteil der plastischen Gesamterscheinung. Die anrührende Zweisamkeit von Mutter und Kind, bei der zwei Figuren so eng miteinander verspannt sind, dass sie als plastische Einheit wirken, ist nur ein Beleg dafür. (Text: Herbert Schirmer)


Gudrun Sailer, 1963 geboren in Rudolstadt/Thüringen | Baufacharbeiter mit Abitur und Töpferlehre | 1986-91 Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle | seit 1991 freischaffend in Eberswalde